Kaum habe ich von den ersten Kryptopartys gehört, wusste ich: Sowas brauchen wir hier in Stuttgart auch! Gesagt, getan! Die Idee, eigene Kryptopartys in Stuttgart zu organisieren, entstand aus einer spontanen Begeisterung heraus. Am Anfang der Woche stand die Idee, am darauffolgenden Samstag die erste Kryptoparty in Stuttgart zu veranstalten. Das hieß: Plakate gestalten und in Druck geben, Redner und Räume organisieren, Presse und Interessierte einladen – und das alles natürlich schnellschnell.
Und nicht nur in Stuttgart sind die Kryptopartys ein Erfolg: Bundesweit finden jede Woche bis zu 120 Kryptopartys statt. Angesichts der 81 Millionen Bundesbürger mögen das vielleicht wenige Menschen sein, die wir mit diesen Partys erreichen – aber es werden immer mehr! Und dieses steigende Interesse an Verschlüsselung und privatem Surfen zeigt, dass die im Bundestag vertretenen Parteien auf diesem Gebiet die Interessen der Bürger nicht vertreten! Nicht nur, dass einige Parteien diese Entwicklung zu mehr Überwachung aktiv fördern (“Supergrundrecht Sicherheit”) – das größte Problem ist, dass keine der Parteien im Bundestag aktiv etwas dagegen unternimmt. Solange wir Piraten nicht im Bundestag vertreten sind, um hier als Korrektiv zu wirken, können wir die Privatssphäre der Bürger nicht mit politischen Mitteln schützen. Aber uns sind die Hände trotzdem nicht gebunden Aufgrund des großen Erfolgs werden immer mehr Kryptopartys veranstaltet, die nächste in Stuttgart schon am 18. August!
Edward Snowden hat am 6. Juni 2013 das geheime Programm PRISM der NSA veröffentlicht – ein gigantisches Überwachungsprogramm, das die digitalen Kommunikation von Milliarden Personen inner- und außerhalb speichert und auswertet.
Straffreiheit für Snowden
Und einige meiner Freunde und Bekannten fragen: Was ist denn so schlimm daran? So interessant bin ich doch gar nicht für die NSA. Ich habe nichts zu verbergen. Und sowieso: Wenn PRISM Terroranschläge verhindern kann, dann ist das doch gut, oder?
Zugegeben: wenn der Staat mein Recht auf Privatssphäre verletzt, tut das im ersten Moment vielleicht nicht so weh, wie wenn er mein Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt. Und dass wir die Verletzung unseres Grundrechts auf Privatssphäre (bzw. unseres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts) nicht sofort und unmittelbar spüren, ist wohl auch der Grund dafür, dass Viele diesem Grundrecht nicht so eine hohe Priorität einräumen.
Aber das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, zu dem auch das Rechts auf Privat- und Intimsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zählt, ist elementar für unseren Rechtsstaat und für unsere Demokratie! Es schützt unsere Daten und intimsten Bereiche vor staatlichem Zugriff. Wenn also ein Staat oder eine Institution wie die NSA mit PRISM so umfassenden Zugriff auf unsere Gmail-Passwörter hat, oder auf unsere Chats, Mails, Daten in der Cloud und Bankdaten etc., dann bietet das nicht nur einen Einblick in unsere Privats-, sondern auch in unsere Intimsphäre. Und das ist, zumindest nach Deutschem Recht, immer unzulässig. “Greift eine Maßnahme in die Intimsphäre ein, wird ein letztlich unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung betroffen. Die Intimsphäre ist dem staatlichen Zugriff verschlossen. Eine Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips findet nicht statt.” – selbst in unsere Privatsphäre darf nur bei begründetem Verdacht eingegriffen werden. Die PRISM-Überwachung ist hingegen anlasslos und erfolgt ohne Richterbeschluss.
Warum wird also trotz besseren Wissens an diesen Plänen festgehalten, wenn doch belegt wurde, dass diese Überwachungstechniken eindeutig nutzlos in der Terrorbekämpfung sind?
Zum Einen werden diese Daten gesammelt, weil es möglich ist. Datenspeicherung kostet heute so gut wie nichts mehr. Und die Geheimdienste horten diese Daten gerne, auch wenn sie im Moment noch keine Verwendung dafür haben. Aber wer weiß, wozu sie in der Zukunft gut sein könnten?
Hier treffen also zwei fatale Entwicklungen aufeinander: Erstens der Drang der Politik, für ein Maximum an Sicherheit zu sorgen und dafür “ein Bürgerrecht garantiert zu missachten, um das andere vielleicht zu erhalten, die sofortige Tötung des Spatzes in der Hand, um damit morgen die Taube auf dem Dach zu füttern. Eventuell.”. Und zweitens knallharte finanzielle Interessen und Abhängigkeiten. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hat sich die Stimmung in den USA stark verändert: Wenige Wochen nach den Anschlägen wurde der Patriot Act verabschiedet, das die Bürgerrechte der Amerikaner zugunsten einer höheren inneren Sicherheit, stark einschränkte. Weitere Gesetze sollten in den nächsten Jahren folgen, die das Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Freiheit immer weiter Richtung (vermeintlicher) Sicherheit trieben. Hand in Hand mit dieser Tendenz der Gesetzgebung entwickelt sich eine immer stärkere, milliardenschwere Verflechtung zwischen Militär und Industrie die von einem Klima der Angst profitiert.
Beim Thema PRISM geht es um die ganz grundsätzliche Frage, ob wir dazu bereit sind, unsere Freiheit für eine vermeintlich höhere Sicherheit zu opfern. Ich bin dazu nicht bereit.